Literaturnachweis - Detailanzeige
Autor/in | Braun, Sebastian |
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Titel | Sozialintegrative Potenziale bürgerschaftlichen Engagements für Jugendliche in Deutschland. Expertise zum Carl Bertelsmann-Preis 2007. |
Quelle | Gütersloh: Bertelsmann Stiftung (2007), 36 S.
PDF als Volltext |
Sprache | deutsch |
Dokumenttyp | online; Monografie |
Schlagwörter | Empirische Untersuchung; Gesellschaft; Soziale Ungleichheit; Soziale Beziehung; Soziale Integration; Engagement; Gesellschaftspolitik; Sozialerziehung; Soziologie; Jugendlicher |
Abstract | Die einschlägigen soziologischen Gegenwartsdiagnosen der letzten Jahrzehnte etwa in den USA, Großbritannien, Frankreich und insbesondere Deutschland belegen es eindrucksvoll: Das Problem der sozialen Integration moderner Gesellschaften ist abermals zu einem zentralen Thema in der gesellschaftspolitischen und sozialwissenschaftlichen Diskussion avanciert. Aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung kreisen sie immer wieder um die Frage, was moderne Gesellschaften noch zusammenhält - oder pointierter: überhaupt noch zusammenhalten kann. Dieser "soziale Kitt" wird nicht zuletzt im frei gewählten Engagement der Bürgerinnen und Bürger gesehen, das als Paradebeispiel für den sozialen Zusammenhalt, als Ressource gelebter Solidarität und Prüfstein der inneren Konsistenz des Gemeinwesens gilt. Obwohl sämtliche Annahmen über die sozialen Integrationsleistungen bürgerschaftlichen Engagements bislang eher metaphysischen als empirischen Charakter haben und insofern bestenfalls als Hypothesen mit Plausibilitätsanspruch gelten dürfen, avanciert in Politik und Wissenschaft die Zahl der engagierten Bundesbürger zu einem zentralen Indikator, um die Perspektiven des sozialen Zusammenhalts zu bestimmen. Dies gilt insbesondere für die Jugendlichen, deren Engagementbereitschaft als ein besonderes Indiz für Solidarität und Sozialität in der Gesellschaft interpretiert wird. Vor diesem Diskussionshorizont konzentriert sich die vorliegende Expertise auf die leitende Fragestellung, ob und in welcher Weise bürgerschaftliches Engagement von Jugendlichen als einer spezifischen Form der Gemeinschaftsarbeit in "Wahlgemeinschaften" wie z.B. Vereinen, Projekten, Initiativen und anderweitigen selbst organisierten Vereinigungen zur sozialen Integration der engagierten Jugendlichen beiträgt. Diese Fragestellung wird einerseits vor dem theoretischen Hintergrund einer doppelten Argumentationsfigur über die "binnenintegrativen" und "außenintegrativen" Leistungen bürgerschaftlichen Engagements für Jugendliche untersucht. Andererseits wird ein differenzierter Begriff von sozialer Integration zugrunde gelegt. Dieser Begriff unterscheidet zwischen den Integrationsmechanismen der "Platzierung" im Sinne der Zugangsmöglichkeiten zu gesellschaftlichen Positionen, der "Kulturation" im Sinne des Erwerbs von kulturellem Kapital (z.B. Wissen und Kompetenzen) sowie der "Interaktion" im Sinne des Aufbaus von sozialem Kapital (z.B. soziale Beziehungen und Netzwerke). Vor diesem theoretischen Hintergrund werden empirische Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen in Deutschland über das bürgerschaftliche Engagement von Jugendlichen in Deutschland sekundäranalytisch aufbereitet und interpretiert. Unter dem Gesichtspunkt der sozialen Integration über Platzierungsinklusion lassen die Befunde erkennen, dass die Zugangschancen für Jugendliche zu bürgerschaftlichem Engagement sozial ungleich verteilt sind. Bürgerschaftliches Engagement hat einen engen Zusammenhang mit dem verfügbaren kulturellen und sozialen Kapital der Jugendlichen, das ihnen frühzeitig im Schoß der Familie weitergegeben wird. Es spricht offenkundig vor allem solche Jugendlichen an, die über einen "Habitus" verfügen, der in der sozialen Praxis bildungsorientierter, wertebewusster bürgerlicher Familien vermittelt wird. Offenbar schneidet sich selbst das sogenannte "neue Ehrenamt" nicht aus den bürgerlickulturellen Traditionen heraus, in deren Kontext es in Deutschland entstanden ist. Wenn Jugendliche Zugang zu bürgerschaftlichem Engagement finden, dann können sie im Zuge ihrer Gemeinschaftsarbeit ihr kulturelles Kapital insbesondere über informelle Lernprozesse erhöhen (soziale Integration über Kulturation). Dieses kulturelle Kapital dient den engagierten Jugendlichen offenbar einerseits dazu, in ihrer Wahlgemeinschaft sinnhaft, verständig und erfolgreich handeln zu können und auf diese Weise in die Wahlgemeinschaft sozial integriert zu werden. Andererseits wird dieses kulturelle Kapital auch außerhalb des bürgerschaftlichen Engagements genutzt, so dass dieses Engagement ein praktisches Lern- und Erfahrungsfeld darzustellen scheint, auf dem Jugendliche ihre Kompetenzen weiterentwickeln und erweitern können, die sie wiederum in schulischen, beruflichen oder privaten Kontexten nutzen können. Darüber hinaus lassen die vorliegenden Daten erkennen, dass Jugendlichen durch ihr bürgerschaftliches Engagement günstige Gelegenheitsstrukturen eröffnet werden, um soziale Beziehungen und ganze soziale Netzwerke aufzubauen und auf diese Weise ihr individuelles soziales Kapital zu erhöhen (soziale Integration über Interaktion). Dieses soziale Kapital bildet einerseits eine maßgebliche Grundlage dafür, dass die Jugendlichen in ihre Wahlgemeinschaften ggf. dauerhaft sozial eingebunden werden. Andererseits stellt dieses soziale Kapital eine Ressource dar, auf die die Jugendlichen auch jenseits ihres bürgerschaftlichen Engagements zurückgreifen können, um sich z.B. soziale Unterstützungs- und Hilfeleistungen zu erschließen. Vor dem Hintergrund der empirischen Ergebnisse und deren Interpretation werden abschließend Handlungsempfehlungen formuliert, die sich auf drei Aspekte beziehen: erstens die Entwicklung einer pädagogisch fundierten Bildungskonzeption im Hinblick auf bürgerschaftliches Engagement im Sinne einer "Erziehung zum bürgerschaftlichen Engagement" und einer "Erziehung durch bürgerschaftliches Engagement", zweitens die Förderung und die Zertifizierung des Erwerbs von kulturellem Kapital durch bürgerschaftliches Engagement und drittens die Förderung von Gelegenheitsstrukturen zum Aufbau von sozialem Kapital durch ein solches Engagement. (Autor). |
Erfasst von | Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Bonn |
Update | 2025/3 |