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Autor/in | Wißmann, Henning |
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Titel | Meldeverhalten von Berliner Kinderärztinnen und Kinderärzten im Verdachtsfall von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung. Eine empirische Studie mit medizinethischer Diskussion. |
Quelle | Berlin: Medizinische Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin (2022), 73 S.
PDF als Volltext (1); PDF als Volltext (2); PDF als Volltext (3) Dissertation, Medizinische Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin, 2022. |
Sprache | deutsch |
Dokumenttyp | online; Monografie |
DOI | 10.17169/refubium-32702 |
URN | urn:nbn:de:kobv:188-refubium-32976-0 |
Schlagwörter | Kindesmissbrauch; Kindesmisshandlung; Kindesvernachlässigung; Kindeswohl; Kind; Medizin; Ethik; Dissertation; Gefährdung; Prävention; Deutschland |
Abstract | Kindesmisshandlung und -vernachlässigung sind häufig, die in Deutschland anzunehmende Dunkelziffer ist hoch. Kindeswohlgefährdungen gehen nachweislich mit erhöhten Risiken für verschiedene Folgeerkrankungen einher. Verschiedene Studien haben sich mit dem Meldeverhalten und den Beweggründen der ärztlichen Entscheidungsfindung in Verdachtsfällen beschäftigt. Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz als Bestandteil des Bundeskinderschutzgesetzes ermöglicht es Ärzten seit 2012, ihre Schweigepflicht in Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdungen zu umgehen und Meldung an die Behörden zu erstatten. In Deutschland besteht keine gesetzliche Meldepflicht. Diese Studie untersucht das Meldeverhalten und die Beweggründe der ärztlichen Entscheidungsfindung in Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung. Die Teilnehmer wurden zu ihren diagnostischen Fähigkeiten, ihrem Fortbildungsbedarf, ihrer Rechtskenntnis sowie ihrer Einstellung zu einer gesetzlichen Meldepflicht befragt. Eine medizinethische Diskussion erörtert, ob die Einführung einer gesetzlichen Meldepflicht für Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdungen in Deutschland empfehlenswert ist. Alle 378 niedergelassenen Kinderärzte und Kinder- und Jugendpsychiater in Berlin wurden gebeten, einen selbstentwickelten Fragebogen anonym auszufüllen. Dieser wurde postalisch an alle niedergelassenen, hausärztlich tätigen Kinderärzte (N=302) und Kinder- und Jugendpsychiater (N=76) gesendet. Die Häufigkeit von Verdachtsfällen in den Jahren 2016 und 2017, das individuelle Meldeverhalten, Gründe der Entscheidung für und gegen eine Meldung sowie verschiedene Angaben der Teilnehmer zu ihren Kenntnissen, Erfahrungen und Einstellungen wurden untersucht. Weiterhin wurden Korrelationen mit sozioökonomischen Parametern auf Ebene des jeweiligen Berliner Bezirks statistisch geprüft. Die ethische Diskussion orientiert sich insbesondere am Recht des Kindes auf eine offene Zukunft und auf Entwicklung seiner Autonomie. Es werden neuere medizinethische Ansätze herangezogen, die insbesondere die Individualität des einzelnen Kindes und den Erhalt und die Förderung der künftigen Autonomiefähigkeit berücksichtigen. Der Rücklauf betrug 42% (N=157). 28% der Kinderärzte meldeten im untersuchten Zweijahreszeitraum jeden ihrer Verdachtsfälle an die Behörden. Mehr als 70% der Teilnehmer berichteten von Schwierigkeiten, Verdachtsfälle zu erkennen, und knapp 65% wünschten sich zusätzliche Fortbildungen zu diesem Thema. Nur etwa 50% gaben an, dass ihnen die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer pseudonymisierten Beratung im Verdachtsfall bekannt sei. Mehr als 70% der Teilnehmer hielten eine gesetzliche Meldepflicht im Sinne eines besseren Kinderschutzes für notwendig und über 55% gaben an, dass eine Meldepflicht ihre Arbeit erleichtern könnte. Die medizinethische Diskussion kommt zu dem Ergebnis, dass sich sowohl für als auch gegen die Einführung einer Meldepflicht valide Argumente vorbringen lassen. Daher wird die Einführung einer gesetzlichen Beratungs- und Aktionspflicht für Ärzte vorgeschlagen, die einen verpflichtenden rechtlichen Rahmen für Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdungen schafft, Ärzte jedoch nicht von ihrer individuellen Verantwortung entbindet und ihrem Vertrauensverhältnis zu Kind und Familie gerecht wird. (Orig.). |
Erfasst von | Deutsche Nationalbibliothek, Frankfurt am Main |
Update | 2022/3 |