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Nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. waren im Jahr 2020 zirka 256 000 Menschen in der Bundesrepublik wohnungslos, wobei es sich zu 33 Prozent (78 000) um Frauen handelte. Im Sinne einer kritischen Alltags- und Lebensweltforschung befasst sich diese Dissertation mit der Frage nach den geschlechtlichen Konnotationen raumbezogener Aneignungsformen von Frauen in Situationen der Wohnungslosigkeit. In den Blick genommen werden sowohl biografische Erfahrungen und lebensgeschichtliche Sozialräume als auch Handlungstechniken und räumliche Positionierungen im Kontext der Wohnungsnotfallsituation. Zunächst geht es um sozialpolitische Rahmenbedingungen und um sozialräumliche Aspekte der staatlichen Regulierung von Wohnen und Wohnungslosigkeit. Dabei wird die Wohnungslosigkeit als eine Problematik thematisiert, die vor dem Hintergrund einer defizitären sozialen Infrastruktur im Bereich Wohnen zu betrachten sei. Auch historische und genderspezifische Perspektiven auf den institutionellen Umgang mit Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit, die Strukturen der Wohnungslosenhilfe sowie Erkenntnisse aus der Fachdebatte zur Lebenslage von Frauen in prekären Wohnsituationen und Wohnungslosigkeit finden in diesem Zusammenhang Berücksichtigung. Bei den gewählten Theoriebezügen handelt es sich um gendertheoretische Ansätze und um die von Henri Lefèbvre vertretenen raumtheoretischen Positionen. Darüber hinaus werden soziologische Konzepte nach Karl Marx und sozialpsychologische Zugänge im Anschluss an Alexejew Nikolajew Leontjew herangezogen. Methodisch basiert die Arbeit überwiegend auf erzählgenerierenden Interviews mit 11 Frauen, die zum Befragungszeitpunkt entweder in akuter Wohnungslosigkeit auf der Straße lebten oder in Notunterkünften oder betreuten Wohnformen untergekommen waren. Anknüpfend an eine ausführliche Darstellung dreier Fallvignetten folgt eine komparative Datenanalyse. Dass Frauen in Wohnungsnotfallsituationen spezifische Strategien anwenden, um in ihrer prekären Lage nicht sichtbar zu werden, wird im Fachdiskurs seit längerem diskutiert. Doch wie organisieren Frauen ohne gesicherten Zugang zu Wohnraum ihren Alltag? Welche Strategien der Aneignung des sozialen Raumes werden wirksam? Wie erschließen sie Zugänge zu Räumen in denen Privatheit und soziale Teilhabe gelebt werden kann? Und inwiefern können sie mit und gegen institutionelle Raumproduktionen im Kontext Sozialer Arbeit Eigensinn und Subjektivität verwirklichen? Im Anschluss an die raumbezogene Geschlechterforschung ist von einem wechselseitigen Verhältnis der (Re)Produktion räumlicher und geschlechtsbezogener Hierarchisierungen auszugehen. Aus dieser Perspektive rücken die geschlechtlichen Dimensionen räumlicher Arrangements ins Blickfeld und damit auch die Frage wie in sozialen Praktiken geschlechtliche Zuweisungen (re)produziert aber auch hinterfragt und umgedeutet werden können. Das Thema Wohnungslosigkeit verweist zudem auf Ungleichheitsrelationen und Konfliktverhältnisse im Kontext von Öffentlichkeit und Privatheit, von sozialstaatlichen Arrangements und nicht zuletzt der angemessenen Versorgung mit Wohnraum. Die Konkretisierung eines Konzepts raumbezogener Aneignung dient dabei als Scharnier, um die Mechanismen sozialer Ausschließung vor dem Hintergrund vorherrschender Raumordnungen zu analysieren sowie die damit verbundenen geschlechtsbezogenen Implikationen auszuloten. Mit der Perspektive auf die raumbezogenen Aneignungspraktiken von Frauen in Wohnungsnotfallsituationen orientiert sich die hier vorgestellte empirische Untersuchung an einer kritischen Alltags- und Lebensweltforschung, die im Kontext Sozialer Arbeit entwickelt wurde.
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978-3-8474-2564-9
Schwarz, Silvia: Flüchtige Räume - Aneignungsstrategien von Frauen in Situationen der Wohnungslosigkeit. 2022.
3408451
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