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PIAGET wird als einer der großen (Entwicklungs-)Psychologen unseres Jahrhunderts erst in den letzten Jahrzehnten von der 'Sonder'schulpädagogik rezipiert. Dabei scheint für viele Lehrer die Kennzeichnung der Stufen der kognitiven Entwicklung durch PIAGET als gültig und deshalb als verbindlich für pädagogische Praxis. Internationale kritische Auseinandersetzung mit PIAGET ist erst in den letzten Jahren in Deutschland aufgenommen worden (vgl. nur Herzog 1991 und Edelstein u. Hoppe-Graf 1993). Ich versuche deshalb in notwendiger Kürze zur Orientierung eine Referierung und Bilanzierung entscheidender Aussagen von PIAGET. Da PIAGET als "Entwicklungspsychologe" rezipiert wurde, erscheint es mir notwendig, eine weitere Orientierung zu versuchen: Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vorstellung, daß es eine "Normalentwicklung" gebe, die für die Beurteilung, Zielstellung und Einstufung von Schülern wie für die Schulpädagogik und die Organisation von Schülern Maßstab sein könnte. Eine Alternative zur 'Normalentwicklung', besonders für die Bestimmung der Lern- und Förderangebote, ist deshalb notwendig. Sie kann aber nicht schon in der Feststellung der 'Lernvoraussetzungen' der Schüler gesehen werden, denn, was ein Schüler kann, sagt nichts darüber aus, was er lernen könnte, und sagt ebenso nichts darüber aus, was er lebensnotwendig lernen sollte. Das kann man, Schüler wie Lehrer, erst erfahren, wenn der Schüler es, evtl. mit Lernbegleitung, selbst und auf seine Weise versucht; gleichsam wie eine empirische Bestätigung, daß es keine 'normale' Entwicklung gibt, aber auch als Erweis dafür, daß die schulische Auslese und die schulische Praxis mit ihren angeblichen 'schulartspezifischen' Eigenarten keine 'typischen' Schüler vorfindet oder erzeugt. Das belege ich nur für die Gruppe der Schüler der 'Schule für Lernbehinderte'. Ich nehme aber an, daß das auch für die anderen Schularten gilt. Immer haben es Lehrer mit heranwachsenden eigenartigen Menschen zu tun, die individuell spezifisch lernen und wahrnehmen, die immer ihre je eigene individuelle Erfahrung machen und machen können als 'Eigenwelterweiterung' in 'Subjektiven Erfahrungsbereichen'. Daraus ergeben sich bzw. ich schließe noch weitere kritische Hinweise auf das Jahrgangsklassensystem und seine Handhabung an. Unser Schulsystem geht offensichtlich davon aus, daß es unterschiedlich 'begabte' Schüler und Schülergruppen gibt. Daß das eine Illusion ist, habe ich schon gesagt. Die schulische Realität zeigt aber oft kaum bedachte Wirkungen. Einige benenne ich und schließe mit für mich überraschenden Hinweisen auf 'weitere' Absichten, die man mit dem Jahrgangsklassenmodell erreichen wollte: den einheitlichen 'Staatsbürger'. (Orig.).
Erfasst von
Berliner Landesinstitut für Schule und Medien
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1999_(CD)
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0341-7301
Begemann, Ernst: Piaget, Normal-Entwicklung, individuelle Erfahrung. Überlegungen und Bilanzierungen für ("Sonder"-)Schulen und Pädagogen. 1998.
2398449
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